ARLTSYMPOSIUM 2015
KEYNOTES 09:50 – 12:05 Uhr
Soziale Dienste zwischen Zivilgesellschaft und Betroffenen | FH-Prof. Dr. Tom Schmid (FH St. Pölten)
Soziale Dienste sind die Träger sozialpolitischer Innovation und erbringen wesentliche Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie werden idR von Vereinen betrieben, die von zivilgesellschaftlich engagierten Personen geleitet werden. Sie stehen nicht im Eigentum der Nutzer*innen dieser Dienstleistungen. Diese zivilgesellschaftliche Daseinsvorsorge „für Andere“ kommt in Konflikt mit den Forderungen nach Partizipation, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung durch die Betroffenen. Es wäre daher zu überlegen, die Trägerschaft Sozialer Dienste von zivilgesellschaftlichen Vereinen in das Eigentum der Betroffenen selbst zu übertragen. Zu diskutieren sind notwendige Rahmenbedingungen und zu erwartende Effekte.
Die Abbildung des Sozialen: Das Inklusions-Chart (IC) als Instrument sozialer Diagnostik | FH-Prof. Dr. Peter Pantuček-Eisenbacher (FH St. Pölten)
In einem Entwicklungsprojekt mit der Deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer wurde das Inklusions-Chart zur Erhebung der Situation der Betroffenen angewendet und ergänzt. Aufbauend auf die Ergebnisse dieses Projekts werden Überlegungen zum Verständnis von Inklusion und stellvertretender Inklusion, deren Messbarkeit und von Möglichkeiten der Beeinflussung durch Soziale Arbeit vorgestellt.
Inklusion und Selbstbestimmung aus der Perspektive von Nutzerinnen von Institutionen“ | Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Marion Sigot (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
Mit der Ratifizierung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 hat sich auch Österreich als Vertragsstaat zur Inklusion, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen bekannt. Auch Institutionen im sozialpädagogischen Handlungsfeld verankern Inklusion und Selbstbestimmung in ihren Leitlinien bzw. beanspruchen zunehmend für sich, dies für ihre Nutzerinnen umzusetzen. In diesem Beitrag wird auf der Basis von Ergebnissen aus einem partizipativen Forschungsprojekt mit Frauen mit Lernschwierigkeiten die Perspektiven der Nutzerinnen von Institutionen thematisiert. Dabei wird deutlich, dass Lebenszusammenhänge, die aus der Außensicht durch weitgehende Selbstbestimmungsmöglichkeiten ge-kennzeichnet sind und inklusiv ausgerichtet sind, für betroffene Personen selbst im Alltag fremdbestimmende Elemente beinhalten können.
WORKSHOPS (13:30 – 16:00 Uhr inkl. Pause)
Workshop 1: Lehr-Lern-Wirkstatt | Prof.in Dr.in Anke S. Kampmaier und Prof.in Dr.in Steffi Kraehmer (Hochschule Neubrandenburg)
In dem Workshop „Lehr-Lern-Wirkstatt“ wird exemplarisch die „Lernwirkstatt Organisationsentwicklung und Inklusion LORI“ an der Hochschule Neubrandenburg (D) vorgestellt. Das Konzept der Lernwirkstatt Organisationsentwicklung und Inklusion basiert auf den Ansätzen des erfahrungs- und handlungsorientierten Lernens und der konstruktivistischen Lerntheorie. Die Lernenden werden zu Fragen, zur selbstgesteuerten, interaktiven und prozessorientierten Auseinandersetzung und zur Lernreflexion angeregt. In der Perspektive kann eine Lernwirkstatt zu einer sowohl hochschulinternen als auch hochschulexternen Lehr-Lerncommunity entwickelt werden und folgende Vorteile zu bieten:
- Nutzung als Diskussionsplattform und als Netzwerk für Wissens- und Erfahrungsaustausch
- Aufbau eines Erfahrungskreises zur Hochschuldidaktik in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung der Hochschule (ZWW) – Entwicklung von Weiterbildungsangeboten unter Nutzung der Kompetenz und der Ausstattung der Lernwirkstatt
- Bekanntmachung der Vorzüge von Lehr-Lern- Arrangements der Lernwirkstatt – Übertragung auf weitere Studiengänge und Module
Workshop 2: Klient_innenbeteiligung in Praxis, Forschung und Lehre | FH-Prof.in DSA Mag.a Dr.in Monika Vyslouzil und Sonja Faltin, MA (FH St. Pölten)
Präsentation ausgewählter Ergebnisse der Studie „Klient_innenbeteiligung“ unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, Organisationen der Workshopteilnehmer_innen. Damit verbunden Diskussion zu ethischen Ansprüchen in der Forschung. Weiters Information und Diskussion dazu, wie Klient_innenbeteiligung an der FH St.Pölten in Forschung und Lehre umgesetzt wird und Vorstellung der Aktivitäten des Klient_innenbeirats. Welche Partizipationsmodelle sind in den Organisationen der Workshopteilnehmer_innen wünschenswert und realisierbar. Wer muss was dafür lernen. Fachhochschule
Workshop 3: Zero Project – Selbstbestimmtes Leben und politisch Teilhaben in Österreich | Mag. Caroline Wallner-Mikl (Essl Foundation) und FH-Prof.in Mag.a Dr.in Michaela Moser, MAS (FH St. Pölten) sowie Michael Urbanek und Christine Rosell-Quema (beide Selbstvertreter*innen)
Selbstbestimmt Leben und Politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen standen im Zentrum der Zero Project Aktivitäten 2015. Im Rahmen einer von 9 regionalen Konferenzen in St. Pölten wurden dabei auch Erfahrungen, Initiativen und Umsetzungsmöglichkeiten neuer Lösungsansätze in Niederösterreich vorgestellt und diskutiert. Im Workshop werden Ziele und Inhalte von Zero Project vorgestellt und von den Erfahrungen der regionalen Konferenz in Niederösterreich berichtet. Gemeinsam werden nächste Schritte für die Umsetzung neuer Lösungsmöglichkeiten für bestehende Probleme gesucht. Zero Project wurde 2010 als Projekt der Essl Foundation begonnen und will eine Welt ohne Barrieren. Jedes Jahr werden Themenschwerpunkte festgelegt, die sich aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ergeben; 2014/2015 standen Lösungsansätze zu Selbstbestimmtem Leben und Politischer Teilhabe im Mittelpunkt. Dazu wurden wegweisende Projekte aus der ganzen Welt gesucht. Einige davon wurden nicht nur auf einer großen internationalen Konferenz, sondern auch in 9 Bundesländer-Konferenzen vorgestellt und ihre Umsetzung am jeweiligen regionalen Kontext diskutiert. Das Ilse-Arlt-Institut hat das Projekt mit fachlichem Know-How begleitet.
Workshop 4: Die ersten Schritte gehen wir gemeinsam. Umgang mit Inklusion in Kindergärten | FH-Prof.in DSA Mag.a Dr.in Gertraud Pantucek (FH JOANNEUM Graz) und Edith Enzenhofer
Im Workshop werden Erfahrungen aus einem Projekt vorgestellt, mit dem die Intention verfolgt wurde, den frühen Kindergartenbesuch von Kindern speziell aus Migrationsfamilien, nicht über eine Verpflichtung sicherzustellen, sondern positive Motivationsanreize zu setzen. Ziel des Projekts war es, allfällige Barrieren des Besuchs abzubauen und Eltern, deren Kind noch nicht den Kindergarten besucht, durch regelmäßige, kostenlose Treffen im Kindergarten – sogenannte Eltern-Kind-Runden – sanft an diese erste Bildungsinstitution heranzuführen. Insbesondere sollten solche Eltern angesprochen werden, deren Kinder Sprachförderbedarf aufweisen. Im Rahmen der Eltern-Kind-Runden zeigte sich, dass vielfältige psychosoziale Probleme (Erziehungsprobleme, Trennung, Traumata, Informationsmängel, Sprachbarrieren, Armut, Hunger, Verwahrlosung, Spielsucht, u.v.m.) das Ankommen im Bildungssystem behindern. Wie darauf inkludierend reagiert werden kann, z.B. durch den Einsatz von „kulturellen MitarbeiterInnen“ und wie von einem multilingualem Ansatz ausgehend ein Stufenmodell des Deutscherwerbs für alle Kinder mit Sprachförderbedarf aussehen könnte, wird zur Diskussion gestellt werden.
Workshop 5: Praxiserfahrungen mit dem Inklusionschart in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Peter Lüdtke, MA (Lektor FH St. Pölten), DSA Angelika Neuer (Kuratorium Wr. Pensionisten-Wohnhäuser), FH-Prof. Dr. Peter Pantuček-Eisenbacher und Mag.a (FH) Sabine Sommer (beide FH St. Pölten)
Das IC3 ist ein Instrument der Sozialen Diagnostik, das sich inzwischen zu einem kompakten Klassifikationssystem für wesentliche Komponenten der Lebenslage entwickelt hat. Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit aussagekräftiger statistischer Auswertungen, die Aussagen über die Lage von Zielgruppen Sozialer Arbeit und über Exklusionsprozesse zulassen. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen der Workshop-TeilnehmerInnen mit dem Instrument widmet sich der Workshop den Fragen nach den Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Im Rahmen eines World Cafe diskutieren wir die Relevanz im Sinne von Chancen und Grenzen des Verfahrens für SozialarbeiterInnen, KlientInnen und Forschung.
Workshop 6: Soziale Genossenschaften als Ressource in der Deinstitutionalisierung | Dr. Tom Schmid (FH St. Pölten), Dr. Lorenzo Toresini (Primar für Psychiatrie, Meran) und Dr. Gottfried Wetzel (Universität Salzburg)
In Österreich arbeiten 19.000 Menschen mit Behinderung in einem geschützten, vom Arbeitsmarkt (weitgehend) segregierten Sektor in Beschäftigungstherapie-Einrichtungen. Viele davon erhalten nur ein Taschengeld von ca. 100€ pro Monat. Soziale Genossenschaften stellen einen Paradigmenwechsel dazu dar. Diese Integrationsfirmen bieten dauerhafte Arbeitsplätze zu tariflichen oder ortsüblichen Konditionen und erwirtschaften die zur Kostendeckung notwendigen Umsätze durch Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben. Der Schwerpunkt liegt auf der ArbeitnehmerInnen-Rolle von Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf im Gegensatz zur Klienten-Rolle. Ziele der Social Firms sowie die Situation und Entwicklung in Österreich und Italien werden vorgestellt und diskutiert.
Workshop 7: Erfahrungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen – Film „Wellentäler“ und anschließende Diskussion. | DSA Mag.a (FH) Andrea Pilgerstorfer und Katharina Heller, BA (FH St. Pölten), Anna Entenfellner (Leiterin PSD) und Johann Bauer Josef (HSSG sowie Genesungsbegleiter Ex-In am LNK Tulln)
Peer Beratung, Peer Counselling erhält eine rechtliche Grundlage: in der ratifizierten UN-Konvention sowie im Nationalen Aktionsplan 2012 – 2020 (5.1.2.) wird es explizit genannt und der Ausbau eingefordert: „Alle Menschen mit Behinderungen sollen die Möglichkeit haben, durch eine unabhängige Stelle – vor allem durch selbst betroffene Menschen im Sinne des „peer counseling“ – in beruflichen Angelegenheiten beraten zu werden“. Sozialarbeit als eine der zentralen Professionen im Praxisfeld Gesundheit positioniert sich als Förderin von Selbsthilfebewegungen und wichtige Kooperationspartnerin für Peer Counselling. Der Verein Achterbahn wirkt in der Steiermark, Hauptanliegen sind Selbstvertretung und Mitgestaltung im Gesundheitswesen, zudem werden Angebote wie Beratung, Freizeitgestaltung und gemeinsame Aktivitäten angeboten. Kurt Senekovic, Gründer und Obmann des Vereins Achterbahn ist Protagonist des Dokumentarfilms „Wellentäler“, der sich mit der Problematik auseinandersetzt, dass Menschen mit psychischer Erkrankung stetig von der Gesellschaft mit Vorurteilen und Barrieren konfrontiert werden. Wir laden Sie ein diesen Film anzusehen und im Anschluss gemeinsam mit zu diskutieren!